Klagen gegen fehlerhafte Hauptversammlungsbeschlüsse im japanischen Aktienrecht
Abstract
Rund 95 Prozent der in Japan inkorporierten Gesellschaften sind Aktiengesellschaften (kabushiki kaisha). Trotz der Vielzahl von Aktiengesellschaften spielen missbräuchliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Beschlüsse der Hauptversammlung einer solchen Gesellschaft in der heutigen japanischen gesellschaftsrechtlichen Praxis keine wesentliche Rolle. Einer der Gründe dafür ist, dass es in Japan schon früh gelungen ist, Missbräuche des Anfechtungsrechts einzudämmen. Den entsprechenden Bemühungen des deutschen Gesetzgebers und der hiesigen Gerichten war bislang hingegen bekanntlich kein durchschlagender Erfolg beschieden.
Ist ein Beschluss der Hauptversammlung nach seinem Inhalt oder hinsichtlich des Verfahrens nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, liegt ein Beschlussmangel (ketsugi no kashi) vor. Das seit 2005 im Gesellschaftsgesetz geregelte japanische Aktienrecht, das früher Teil des Handelsgesetzes war, kennt drei Arten von Beschlussmängeln, die entweder anfechtbare oder nichtige Beschlüsse zur Folge haben oder Beschlüsse, die als nicht existent angesehen werden. Die einschlägigen Regelungen finden sich in den Artt. 828 ff. Gesellschaftsgesetz. Bestehen formale Rechtsmängel hinsichtlich des Zustandekommens eines Beschlusses, ist dieser anfechtbar. Ist der Formmangel so schwerwiegend, dass vernünftigerweise gar nicht von einer Beschlussfassung durch die Hauptversammlung ausgegangen werden kann, wird der „Beschluss“ als nicht existent angesehen. Im Falle von materiellen Mängeln in Form eines Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften ist der Beschluss grundsätzlich nichtig. Auf dessen Nichtigkeit kann sich jedermann jederzeit berufen, ohne dass es dafür einer vorherigen gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit bedarf.
Zur Verhinderung von missbräuchlichen Erhebungen von Anfechtungsklagen wurde bereits in der Reform des Handelsgesetzes im Jahr 1928 das Institut der „Klageabweisung aufgrund richterlichen Ermessens“ eingeführt. Danach konnte ein Gericht eine Anfechtungsklage abweisen, wenn es die Anfechtung des inkriminierten Beschlusses unter Berücksichtigung aller Umstände des Sachverhaltes als unangemessen erachtete. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Novellierung, störenden Aktionären das Handwerk zu legen, die in Verfolgung von Sonderinteressen wegen geringfügiger Mängel eine Anfechtungsklage erhoben und der Gesellschaft damit großen Schaden zufügten. Eine entsprechende Regelung findet sich heute in Art. 831 Abs. 2 Gesellschaftsgesetz: Handelt es sich bei dem Beschlussmangel um einen reinen Verfahrensfehler, der unter Verletzung gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorgaben allein die Einladung zur Hauptversammlung oder das prozedurale Zustandekommen des inkriminierten Beschlusses betrifft, und hat dieser Fehler auf den Inhalt des Beschlusses keinen Einfluss, steht es im Ermessen des Gerichts, die Klage abzuweisen. Die Möglichkeit der Klageabweisung durch gerichtliche Ermessensentscheidung ist mithin formal auf Verfahrensmängel und in der Sache auf leichte Mängel beschränkt.