Entwicklungen im japanischen Strafrecht im Lichte der gesellschaftlichen Veränderungen
Abstract
Der Vortrag befasst sich mit zwei aktuellen Entwicklungen im japanischen Strafrecht. Zum einen geht es um die Tendenz der Vorverlagerungbzw. Vorverlegung der Strafbarkeit. Der japanische Gesetzgeber stellt zunehmend V erhaltensweisen unter Strafe, deren sozialschädigender Charakter noch nicht klar ist. In den letzten Jahren wird entweder das Eingreifen des Strafrechts tendenziell in einem frühen Stadium gefordert, oder es wird überhaupt der Schutz abstrakter, schwer greifbarer Rechtsgüter angestrebt. Diese Vorverlegungstendenz ist in sachlichen Zusammenhängen der modernen Gesellschaft fundiert und keinen prinzipiellen Einwänden ausgesetzt.
Das zweite ist die Tendenz zu einer teilweise drastischen und präventionsunabhängigen Verschärfung des Strafrechts. Diese lässt sich insbesondere für Tötungsdelikte beobachten und steht im Gegensatz zu empirischen Befunden, die rückläufige Deliktszahlen aufzeigen. Gesetzgeber und Gerichtspraxis folgen damit Erwartungen in der Bevölkerung, die seit längerem einen ihrer Meinung nach zu nachgiebigen Kurs gegenüber Straftätern und eine Vernachlässigung der Interessen der Opfer kritisierte. Anders als die Tendenz zur Vorverlagerung der Strafbarkeitscheint die Verschärfungstendenz das Produkt einer Reihe von problematischen Entwicklungen zu sein und muss deshalb mit Skepsis betrachtet werden.
(die Red.)