Why Legal Transformation Assistance from Germany and Japan to Former East-Bloc Countries?
Abstract
Die beiden führenden Denker der Offenen Gesellschaft, Karl Popper und Friedrich von Hayek, maßen dem Recht eine entscheidende Rolle bei der Transformation jeder Gesellschaft zu Demokratie und Marktwirtschaft bei. Popper verwies im Jahre 1992 auf das Beispiel Japans, das 1887 den deutschen BGB-Entwurf als Muster des Rechtsrahmens für seine schnelle Modernisierung gewählt hatte, und empfahl Rußland, sich für seine Transformation ebenfalls am kodifizierten deutschen oder französischen Zivilrecht zu orientieren. Hayek veröffentlichte sein „Recht, Gesetzgebung und Freiheit“ im Jahre 1973 in den USA, zu einer Zeit, als das Recht jenseits des Horizonts amerikanischer Entwicklungsökonomik und die Klage amerikanischer Rechtswissenschaftler über das Fehlen einer Theorie der Rolle des Rechts in wirtschaftlicher Entwicklung weit verbreitet waren. In den neunziger Jahren trat die Institutionenökonomik mit der Erkenntnis hervor, daß verbindliche Verträge (Coase) und verläßliche Rechtsrahmen für Märkte (North) wirtschaftliche Transaktionskosten reduzieren.
Unterhalb des Niveaus philosophischen Diskurses über die westliche Wertegemeinschaft entbrannte jedoch ein „war of advice“ unter westlichen Transformationsberatern. Aus den USA flossen massive Ressourcen, um die Rechtssysteme der früheren Ostblockstaaten umzuschreiben. Einige amerikanische Autoren mißdeuteten Hayek, verwandten eindrucksvolle quantitative Darstellungsmittel und präsentierten die aufsehenerregende Schlußfolgerung, daß Common Law-Länder besser für Transformationshilfe qualifiziert seien als Länder mit kodifiziertem Zivilrecht römischer Tradition. Die eigenen quantitativen Mittel widerlegten jedoch die Schlußfolgerung, indem sie unerwartet positive Ergebnisse für die Qualität der Rechtssysteme der Länder des sog. deutschen Rechtskreises zu Tage brachten.
Währenddessen leisteten Deutschland und Japan unbeirrt Transformationshilfe in behutsamer, dem Nachfragesog folgender anstatt Angebotsschub ausübender Weise, und mit sehr viel geringerem finanziellen Aufwand. Japan konzentrierte sich auf Südostasien, Deutschland auf Osteuropa, die frühere Sowjetunion und China. Anfänglich setzten sich amerikanische Vorlagen zumeist in Finanz- und Wirtschaftsregulierungen durch, während bei Zivil- und Handelsgesetzbüchern vorwiegend deutsche bzw. japanische Beratung nachgefragt wurde. Intensiver institutioneller Wettbewerb zwischen Geberländern westlicher Transformationshilfe hält jedoch auf allen Rechtsgebieten unvermindert an.
Mit ihrer gemeinsamen Erfahrung der eigenen Nachkriegstransformation und Reintegration in die westliche Wertegemeinschaft haben Deutschland und Japan bemerkenswert ähnliche außenpolitische Gründe, sich auf diesem Feld zu engagieren. Ein Rückblick auf die Wirtschaftsgeschichte der Nachkriegszeit macht deutlich, daß die sofortige Möglichkeit, mit den fortgeltenden, von planwirtschaftlichem Wildwuchs befreiten Zivil- und Handelsgesetzbüchern zu arbeiten, eine notwendige Bedingung für die „Wirtschaftswunder“ beider Länder war. Neue Verfassungen, Währungs- und Preisreformen, funktionierende Banksysteme, eine hohe Sparneigung der Haushalte und vorhandene Technologien waren weitere Faktoren. Auch aus rechtspolitischer Sicht können beide Länder als wertvolle Quellen rechtlicher Transformationsberatung gelten. Seit Überwindung des positivistischen Dogmatismus wirken Gesetzesrecht und richterliche Rechtsfindung in beiden Ländern so aufeinander ein, daß wirtschaftliche und soziale Anliegen immer wieder auf besonders hohem Niveau austariert werden. Richterliche Rechtsfindung in England, Deutschland, Japan und den USA ist funktional äquivalent. In Common Law-Ländern wächst die Bedeutung des Gesetzesrechts, in Kodexländern die der Rechtsprechung. Die Konvergenz ist offensichtlich. Eine ehrwürdige amerikanische Philosophie, eine immer wieder überraschend fruchtbare deutsche Realität und eine herausragend erfolgreiche japanische Wirtschaftsstrategie legen die Schlußfolgerung nahe, daß Pragmatismus keine schlechte Leitlinie für rechtliche Transformationshilfe ist.