Creating ‘Problem Kids’: Juvenile Crime in Japan and Revisions to the Juvenile Act

Autor*innen

  • Trevor Ryan

Abstract

Sowohl im In- als auch im Ausland herrscht derzeit der Eindruck vor, daß Japan von einer Welle der Jugendkriminalität überschwemmt wird. Die damit im Zusammenhang stehenden Befürchtungen haben im November zu den ersten umfassenden Reformen des Jugendstrafverfahrens- und Jugendstrafrechts in Japan seit über 50 Jahren geführt. Die Änderungen, die vor allem die Rolle und das Verfahren der Familiengerichte betreffen, lassen sich in drei Überschriften zusammenfassen.

Erstens hat die Reform zu Veränderungen in den Möglichkeiten der Familiengerichte geführt, einzelne Fälle zu behandeln. Sofern an der Begehung von bestimmten schweren Straftaten Jugendliche im Alter von sechzehn Jahren und darüber beteiligt sind, werden die Ermittlungen im Strafverfahren nun automatisch in die Hand der Staatsanwaltschaft gelegt. Diese Fälle werden also regelmäßig der allgemeinen Strafjustiz zugeleitet. Zudem wurde nun die Möglichkeit eröffnet, in bestimmten Fällen auch Strafverfahren gegen Jugendliche unter sechzehn Jahren, das heißt gegen Vierzehn- und Fünfzehnjährige, nach allgemeinen Strafverfahrensregeln durchzuführen. Diese werden dann ebenfalls vor allem auf Betreiben der Staatsanwaltschaft durchgeführt.

Zweitens wurde das Verfahren der Tatsachenermittlung vor den Familiengerichten umgestaltet. Fortan können dem zuständigen Gericht in bestimmten Fällen drei Richtern statt wie bisher ein Richter vorstehen. Es wurden zudem Regelungen geschaffen, die die Beteiligung von Staatsanwälten in der Verhandlung vor den Familiengerichten zulassen, auch wenn diese dort nicht als Staatsanwälte im herkömmlichen Sinne auftreten. Diese sollen das Gericht in der Aufklärung des Falles unterstützen. Darüber hinaus wurde zum Zwecke der Ermittlung die mögliche Untersuchungshaftdauer von Jugendlichen, die einer Straftat verdächtig sind, verlängert.

Schließlich soll die Einführung neuer Vorschriften dazu dienen, daß Interessen der Opfer von Straftaten stärker als bisher Berücksichtigung finden, indem etwa die Möglichkeit der Informationsgewinnung einschließlich der Akteneinsichtnahme zugunsten von Opfern erweitert wurde und die Opfer nun größere Befugnisse erhalten, an der Verhandlung aktiv teilzunehmen.

Der Autor untersucht die Reformen unter Berücksichtigung der ursprünglich beabsichtigten Änderungen und der Auswirkungen, die diese in den ersten drei Jahren tatsächlich hatten. Er ist der Ansicht, daß alle Reformen, gleichwohl sie auf den ersten Blick „neutral“ erschienen, eine Abkehr vom ursprünglichen Prinzip des Jugendstrafverfahrens im Sinne der besonderen Berücksichtigung der Interessen und der Rücksichtnahme auf die Entwicklung von Jugendlichen hin zur Einführung der Prinzipien des allgemeinen Strafverfahrens auch in Jugendstrafverfahren darstellten.

Er meint, daß den Reformen populistische Motive zugrunde lägen, die eine allgemeine Zustimmung der Bevölkerung reflektierten, härter gegen Straftäter vorzugehen. Diese Philosophie habe einerseits die Absicht, Maßstäbe der Behandlung von Straftätern zu vereinheitlichen, und andererseits, das Hauptaugenmerk der Justizbehörden im Jugendstrafverfahren von der Berücksichtigung der individuellen Persönlichkeit und des sozialen Umfeldes des Jugendlichen hin zu den Umständen und dem Ausmaß der Folgen der Tat zu verschieben. Der Autor kritisiert unter anderem, daß die Reformen zu einem allgemeinen Übergreifen der Grundlagen des allgemeinen Strafverfahrens in das Jugendstrafverfahrens führten und daß das Jugendstrafverfahren nun in einem zu großen Maße die Gegnerschaft von Opfern und Angeklagten in den Vordergrund rücke. Diese Veränderungen reflektierten den Willen eines Großteils der japanischen Parlamentsabgeordneten, die Berücksichtigung der Opferinteressen in Strafverfahren im allgemeinen zu verstärken. Der Autor vermutet zudem, daß auch strukturelle und finanzielle Aspekte einen Ausschlag dafür gegeben hätten, daß den Familiengerichten und ihren Ermittlungsjustizangestellten nun größere Möglichkeiten eingeräumt worden seien, strengere Verfahrensmaßnahmen einzuleiten.

Der Autor glaubt auch, daß wegen der scheinbaren politischen Dringlichkeit, mit der das Thema behandelt worden sei, die notwendige sorgfältige Diskussion über das Reformvorhaben zu kurz gekommen sei. Dies habe insgesamt eine tiefgreifende Ambivalenz innerhalb der Jugendstrafjustiz hervorgerufen. Während die wohlwollenden und auf die Entwicklung des Jugendlichen Rücksicht nehmenden Züge des Verfahrens vor den Familiengerichten weithin beseitigt wurden, seien keine angemessenen Standards, die wenigstens ein faires Verfahren sicherten, an deren Stelle getreten.

Der Autor kritisiert die unkritische und unverantwortliche Presse in Japan, die für die Verschärfung des Umgangs mit jugendlichen Straftätern mitverantwortlich sei. Er äußert zudem seine Bedenken über die sich gegenseitig ergänzenden Rollen, die die Verwaltung und der Oberste Gerichtshof Japans bei der Vornahme der einschneidenden Eingriffe in das bisherige System des Jugendstrafverfahrensrechts gespielt hätten. Der Autor sieht die besondere Problematik der Reformen darin, daß der sich in den Reformen widerspiegelnde allgemeine Trend zur härteren Bestrafung als Antwort auf Entwicklungen in der heutigen Zeit des schnellen sozialen Wandels kontraproduktiv sei. Gerade in solchen Zeiten sei es wichtiger den je, sorgfältig durchdachte Maßnahmen der gesellschaftlichen Reintegration von Straftätern zu fördern.

(Deutsche Übersetzung durch die Redaktion)

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Veröffentlicht

2005-04-10

Zitationsvorschlag

T. Ryan, Creating ‘Problem Kids’: Juvenile Crime in Japan and Revisions to the Juvenile Act, ZJapanR / J.Japan.L. 19 (2005), 153–188.

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Abhandlungen