Die Haftung für Nuklearschäden nach japanischem Atomrecht aus internationaler Sicht
Abstract
Die mit dem Reaktorunglück von Fukushima zusammenhängenden haftungsrechtlichen Fragen hat Julius Weitzdörfer in ZJapanR 31 (2011) eingehend untersucht. In Ergänzung seiner Überlegungen werden in diesem Beitrag die internationalen Aspekte des Haftungsfalls dargelegt.
Auf der Grundlage der internationalen Atomhaftungsübereinkommen (Pariser Übereinkommen, Wiener Übereinkommen, Übereinkommen überergänzende Entschädigung für nuklearen Schaden) ist das Atomhaftungsrecht eine inhaltlich international weitgehend vereinheitlichte Rechtsmaterie. Zwar gehört Japan keinem der Übereinkommen an, aber deren Grundsätze haben Eingang in die nationale japanische Gesetzgebung und in die Gesetzgebungen zahlreicher anderer Nicht-Vertragsstaaten gefunden. Das japanische Atomhaftungsrecht ist auch ohne förmliche vertragliche Einbindung ein substantiell integrierter Bestandteil des internationalen Atomhaftungsregimes. Die Abwicklung der Fukushima-Schadensfälle ist somit zugleich ein Testfall für die internationalen Haftungsgrundsätze.
Zu den tragenden internationalen Haftungsprinzipienzählen u.a. die einheitliche Definition des die Haftung auslösenden nuklearen Ereignisses, der Grundsatz der Haftung ohne Verschulden des Inhabers einer Kernanlage und die ausschließliche Haftung des Inhabers der Kernanlage (rechtliche Kanalisierung der Haftung). Betrachtet man die Entsprechungen dieser und der übrigen Haftungsgrundsätze im japanischen Recht genauer, so können sich Zweifel ergeben, ob der japanische Gesetzgeber diese Grundsätze tatsächlich in jeder Hinsicht so versteht, wie sie international ausgelegt werden. So schließt offenbar der Grundsatz der ausschließlichen Haftung des Inhabers der Kernanlage im japanischen Recht Haftungskonkurrenzen nicht vollständig aus, obwohl gerade das der Zweck des Grundsatzes der rechtlichen Haftungskanalisierung ist.
Problematisch ist der Haftungsausschluss des japanischen Rechts für Schäden, die Folgen einer schweren Naturkatastrophe außergewöhnlicher Art sind. Dieser Haftungsausschluss ist ebenso wie der für kriegerische Ereignisse rechtlich zweifelhaft und praktisch wertlos. Er sollte aus dem japanischen Recht und auch aus den Übereinkommen gestrichen werden. International beispielhaft für nukleare Massenverfahren kann dagegen das im japanischen Recht angebotene institutionalisierte Streitschlichtungsverfahren bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen werden. Es kann die Ersatzleistung beschleunigen und so zur Wiederherstellung des sozialen und politischen Friedens beitragen. Japan scheint den Beitritt zu dem Übereinkommen über ergänzende Entschädigung für nuklearen Schaden zu erwägen. Dieser wäre nur möglich, wenn sich die japanische Gesetzgebung im Einklang mit dem Annex zu dem Übereinkommen befindet. Ob das der Fall ist, ist fraglich.