Die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz im japanischen Arbeitsrecht

Autor*innen

  • Etsushi Hosotani

Abstract

Der Beitrag erläutert auf der Grundlage aktueller Statistiken die Zunahme der gemeldeten Fälle sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und deren typische Ausprägungen in Japan. Ergänzend werden die Reaktionen von Beschäftigten und Unternehmen darauf analysiert. Anschließend geht es um die gesetzlichen Regelungen zur sexuellen Belästigung. Die wichtigste Vorschrift ist Art. 11 Abs. 1 ChancenGG, der einen Unternehmer verpflichtet, die nötigen Maßnahmen im Rahmen des Beschäftigungsmanagements zu treffen, damit Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer wegen ihrer Reaktionen auf sexuelle Belästigungen nicht benachteiligt und in ihrem Arbeitsumfeld nicht gestört werden. Wenn der Unternehmer seinen Pflichten nach dem ChancenGG nicht nachkommt, wird in erster Linie eine verwaltungsbasierte Konfliktlösung (z. B. durch eine Maßnahme der informellen Verwaltungslenkung und Vermittlung) gesucht, aber es kann auch zu einer Haftung für eine unerlaubte Handlung (Art. 709 ZG) oder eine Vertragsverletzung (Art. 415 ZG) des Unternehmers kommen. Da die sexuelle Belästigung eines Arbeitnehmers den Betriebsfrieden negativ beeinflusst, kann der Arbeitgeber einen Täter unter seinen Arbeitnehmern gemäß den arbeitsrechtlichen Vorgaben, namentlich gemäß Art. 15 Arbeitsvertragsgesetz, disziplinieren oder ihm gegebenenfalls sogar kündigen. Neben der mittelbaren Arbeitgeberhaftung, die voraussetzt, dass einer seiner Beschäftigten einem Dritten Schaden zugefügt hat (Art. 715 Abs. 1 ZG), erkennen die Gerichte zunehmend auch die Arbeitgeberhaftung für eigene unerlaubte Handlungen an (Art. 709 ZG). Nach Ansicht des Verfassers sollte das ChancenGG dahingehend geändert werden, dass sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz eindeutig verboten werden. So könnten die Voraussetzungen der Haftung für eine unerlaubte Handlung und eine Vertragsverletzung aufgrund einer sexuellen Belästigung klarer gefasst werden. Ferner sollte die Arbeitgeberpflicht zur Bewahrung eines menschenwürdigen Umfelds am Arbeitsplatz als Nebenpflicht im Arbeitsvertrag ebenso wie die Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit eines Arbeitnehmers (Art. 5 AVG) im AVG neu geregelt werden. Insgesamt sollten Gesetzgeber, Justiz und Verwaltung bezüglich der Aufklärung über und der Schulung zur Verhinderung sexueller Belästigungen am Arbeitsplatz eine größere und entschiedenere Rolle spielen.

Veröffentlicht

2023-12-08

Zitationsvorschlag

E. Hosotani, Die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz im japanischen Arbeitsrecht, ZJapanR / J.Japan.L. 56 (2023), 39–55.

Ausgabe

Rubrik

Abhandlungen