Die Reform des japanischen Bürgschaftsrechts in rechtsvergleichender Sicht

Zum Schutz der Bürgschaften natürlicher Personen für Unternehmensschulden

Autor*innen

  • Keizo Yamamoto

Abstract

Das Thema dieses rechtsvergleichenden Beitrags ist das Bürgschaftsrecht. Im Mittelpunkt steht der Schutz natürlicher Personen, die sich für Unternehmensschulden verbürgen und dabei häufig die eingegangenen Risiken falsch einschätzen oder die Bürgschaft aufgrund emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernehmen. Im Zuge der Reform des japanischen Schuldrechts, die 2020 in Kraft getreten ist, sind neue Vorschriften zum Schutz solcher Bürgen in das Zivilgesetz eingeführt worden (Art. 465-6 ff. ZG). Diese zielen darauf ab, den Bürgen durch Formvorschriften und prozedurale Regelungen zu schützen. Darüber hinaus wurde im Wege des soft law wie auch durch die Einführung verwaltungsrechtlicher Regelungen versucht, den verbleibenden Problemen entgegenzuwirken. Der Beitrag präsentiert dieses Regelungsmodell des japanischen Rechts und stellt es dem deutschen Regelungsansatz einerseits und dem französischen Regelungsansatz andererseits gegenüber.

Aus einer rechtlichen Perspektive auf der Ebene des Schutzes der natürlichen Personen, die für Unternehmensschulden bürgen (auf der Mikroebene), stimmen das japanische und das deutsche Recht im Ausgangspunkt überein. Beide Rechte messen der Privatautonomie einen hohen Stellenwert bei und erkennen ein Schutzbedürfnis nur dort an, wo die Entscheidungsfreiheit des Bürgen durch den Gläubiger verletzt oder wenn eine Störung in der freien Willensbildung des Bürgen durch den Gläubiger ausgenutzt wird. Demgegenüber sieht das französische Recht deutlich weitergehende Eingriffe in die Privatautonomie in Form von Warnpflichten des Gläubigers gegenüber dem Bürgen und eines Erfordernisses der Proportionalität zwischen der Haftung und dem Einkommen und Vermögen des Bürgen vor. Während das deutsche Recht den Schutz des Bürgen durch ein Schriftformerfordernis und eine eng begrenzte Inhaltskontrolle zu erreichen sucht, hat man in das japanische Recht eine prozedurale Regelung eingeführt, die durch Einschaltung eines Notars verhindern soll, dass der Bürge eine Bürgschaft übernimmt, ohne die Risiken hinreichend zu kennen oder ohne sie aufgrund emotionaler Verbundenheit ablehnen zu können. Geschäftsführer wie der Vorsitzende von Leitungsorganen und Mehrheitsgesellschafter des Hauptschuldners sind vom Anwendungsbereich mangels Schutzbedürfnisses ausgenommen.

Aus einer wirtschaftspolitischen Perspektive der gesamtwirtschaftlichen Effizienz (auf der Makroebene) ist das japanische Modell dagegen näher am französischen Recht. Während das deutsche Recht so verstanden werden kann, dass eine Beibehaltung des Bürgschaftswesens unerlässlich ist, um Unternehmen eine Kreditaufnahme zu ermöglichen, geht das französische Recht von der Überlegung aus, dass das Vorhandensein einer Bürgschaft auch dazu führen kann, dass Unternehmen bis zu seinem endgültigen Zusammenbruch weiterbestehen und so auf Kosten der gesamtwirtschaftlichen Effizienz verhindert werden kann, dass neue, potenziell wirtschaftlich bedeutende Unternehmen gegründet werden. Dementsprechend sieht das französische Recht eine Inhaltskontrolle nicht nur für Bürgschaften durch Familienangehörige oder andere Dritte, sondern auch für Bürgschaften durch Geschäftsführer des Hauptschuldners vor. Auch das japanische Recht stellt Regelungen für die Bürgschaftsübernahme durch Geschäftsführer auf und zwar außerhalb des Zivilgesetzes. Während jedoch das französische Recht sich einer Inhaltskontrolle bedient, zeichnet sich das japanische Recht dadurch aus, dass es eine Bürgschaftsübernahme durch Geschäftsführer grundsätzlich zulässt, aber versucht, deren Inanspruchnahme durch soft law und verwaltungsrechtliche Regelungen zu begrenzen. Ziel dieses Ansatzes ist es, die Privatautonomie nicht auszuschließen oder einzuschränken, sondern sie in eine wünschenswerte Richtung zu lenken. Dies kann als eine weitere die Privatautonomie unterstützende „Alternative“ angesehen werden. In der Praxis scheinen sich die neuen japanischen Regeln bislang zu bewähren.

Veröffentlicht

2024-07-19

Zitationsvorschlag

K. Yamamoto, Die Reform des japanischen Bürgschaftsrechts in rechtsvergleichender Sicht: Zum Schutz der Bürgschaften natürlicher Personen für Unternehmensschulden, ZJapanR / J.Japan.L. 57 (2024), 1–40.

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