Understanding Japanese Contract Law
Contract Formation and Interpretation without an Offer and Acceptance Paradigm
Abstract
Der Beitrag diskutiert die Frage, ob die Eigenheiten beim Abschluss von Verträgen, insbesondere von Dauerschuldverträgen, im japanischen Geschäftsleben, zu einer Vertragspraxis geführt haben, die der Bindungskraft von Verträgen abträglich ist. Die Vorliebe der japanischen Gesellschaft für unscharf gefasste Verträge hat dazu geführt, dass die allgemein übliche Analyse von Angebot und Annahme als Instrument, um den Willen der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu ermitteln, in der dortigen Praxis nur eine geringe Rolle spielt. Stattdessen werden die Absichten der Parteien beim Vertragsschluss anhand der Interpretation der Gesamtheit der Fakten ermittelt.
Die japanische Gerichtspraxis legt den Schwerpunkt in diesem Sinne auf einen situationsbezogenen ex-post-Ausgleich der Interessen, um unvorhergesehene Probleme zu lösen, die nach dem Vertragsschluss aufgetreten sind. Diese Praxis steht einer Interpretation des Vertrages unter Rückgriff auf den ursprünglichen Parteiwillen entgegen. Der Schutz der Erwartungen des Empfängers eines Angebots ist in Japan kein entscheidendes Kriterium bei der Beurteilung des Zustandekommens eines Vertrages, was dazu geführt hat, dass es kaum Rechtsprechung gibt, die sich mit dem Vertragsverständnis oder den Erwartungen des Angebotsempfängers auseinandersetzt. Entsprechend ist es unwahrscheinlich, dass sich implizite Regeln entwickeln, was die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vertragsanbahnung verengt. Um dieses Defizit auszugleichen, tendieren die japanischen Gerichte dazu, auf vertragsfremde Regelungen zurückzugreifen. Die fehlende Bereitschaft der Gerichte, die impliziten Absichten der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu berücksichtigen, hat der japanischen Vertragspraxis bis zu einem gewissen Grad die Möglichkeit genommen, im Geschäftsleben eigenständige vertragliche Regeln zu entwickeln. Dies hat einen unausgereiften Vertragsstil zur Folge, namentlich bei Dauerverträgen. So kennt etwa der mehrstufige Vertrag im Bereich der Softwareentwicklung keine Verpflichtung der Entwickler, das Projekt abzuschließen, oder bei Bauverträgen fehlen strikte Bindungen an vertraglich vereinbarte Zeitpläne.
Die in der japanischen Vertragspraxis angewandten Kriterien für den Vertragsschluss und die Methoden zur Problemlösung mögen für homogene Vertragsparteien innerhalb der japanischen Gesellschaft angemessen sein, aber sie dürften international als wenig adäquat eingestuft werden. Mit der Gegenüberstellung der japanischen Praxis des Vertragsschlusses und der Vertragsinterpretation auf der einen Seite und den entsprechenden internationalen Standards auf der anderen, erlaubt die vorliegende Analyse wertvolle Einsichten in die Natur des Vertragsrechts.
(Die Redaktion)