Die Wurzeln des Rechtsmissbrauchsverbots in Japan
Anmerkung zum Unazuki Onsen-Fall, Entscheidung des Reichsgerichtshofs vom 5. Oktober 1935
Abstract
In diesem Beitrag wird die wegweisende Unazuki Onsen-Entscheidung des Reichsgerichtshofs in ihrem historischen Kontext dargestellt und zum Anlass genommen, einen wichtigen Punkt in der Konkretisierung und Ausweitung des Rechtsmissbrauchsverbots in Japan zu erörtern.
Das Rechtsmissbrauchsverbot in Japan ist zwar erst in den 1940er-Jahren im Zivilgesetz kodifiziert worden, die Rechtsprechung wendete dieses jedoch bereits seit den 1910er-Jahren beginnend mit der Entscheidung Shimizu v. Japan an. Als Generalklausel sind die Voraussetzungen der Anwendung bewusst weit gehalten. Bis heute bestehen die Anwendungsvoraussetzungen primär darin, dass das Gericht subjektive und objektive Faktoren zu sammeln hat, die für eine missbräuchliche Anwendung eines Rechts sprechen. Die Anwendungskonstellationen des Rechtsmissbrauchsverbots bestehen dabei in der Abweisung einer missbräuchlichen Klage, der Beschränkung von Rechten und der Begründung von Schadensersatzforderungen.
Sowohl die Argumentationsstruktur als auch zwei der drei Anwendungskonstellationen gehen dabei auf die im Beitrag besprochene Entscheidung des Reichsgerichtshofs zurück. In dieser Entscheidung lehnt das Gericht wegen Rechtsmissbrauchs eine Klage auf Entfernung eines Wasserrohrs ab. Der Eigentümer des Grundstücks, auf dem ein illegal verlegtes Wasserrohr verlief, kaufte das Grundstück in dem Wissen von der Existenz des Rohrs und mit der Absicht, den Betreiber einer heißen Quelle mit einer möglichen Klage auf Entfernung zu erpressen. Der Reichsgerichtshof stellte im Einklang mit den Entscheidungen der ersten beiden Instanzen fest, dass der Kläger das Recht lediglich als Mittel zum Zweck verwende und daher keine Rechtsausübung, sondern vielmehr ein Missbrauch eines Rechts vorliege, der von den Gerichten nicht zu akzeptieren sei. Dabei berücksichtige das Gericht sowohl die verwerfliche Intention des Klägers als auch die objektiven wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die ein Stattgeben der Klage gehabt hätte. Gleichzeitig wird der Entscheidung auch entnommen, dass es sich bei der missbräuchlichen Geltendmachung von Rechten vor Gericht bereits an sich um eine deliktische Handlung handelt.
Diese Entscheidung wird in nahezu jedem japanischen Zivilrechtslehrbuch zum Allgemeinen Teil zitiert. Der Grund dafür ist, dass der klare Sachverhalt und die offensichtlich böswillige Rechtsausübung es dem Reichsgerichtshof ermöglichten, klare und verständliche Kriterien und Abwägungsfaktoren für die Anwendung des Rechtsmissbrauchsverbots darzustellen, die bis heute Bestand haben. Gleichzeitig erweiterte er maßgeblich den Anwendungsbereich der Figur über das Deliktsrecht hinaus auf das allgemeine Zivilrecht.