Japan’s Paradoxical Response to the New ‘Global Standard’ in Corporate Governance
Abstract
Die Autoren des Beitrags bewerten anhand von über 20 Interviews aus dem Jahr 2006 mit Unternehmensvorständen, Geschäftsführern, Investoren und Regierungsvertretern die praktischen Auswirkungen der jüngsten Reformen des Gesellschaftsrechts und der Corporate Governance in Japan. Strukturell scheint es zwar eine Verlagerung hin zu einem „globalen Standard“ in Übereinstimmung mit den OECD-Richtlinien oder der Praxis in den USA gegeben zu haben. Eine genauere Untersuchung deutet jedoch darauf hin, dass die Veränderungen weniger durchgreifend sind.
Die Verfasser untersuchen zunächst die Auswirkungen des Rechts der „Gesellschaft mit Ausschussstruktur“, das als Option im Jahr 2003eingeführt wurde. Gesellschaften, die diese Struktur einführen, sind verpflichtet, drei Ausschüsse, die für Nominierung, Vergütung und Prüfung zuständig sind, mehrheitlich mit externen Verwaltungsratsmitgliedern zu besetzen. Für den Verwaltungsrat als solchen besteht jedoch keine entsprechende Verpflichtung. Vorgesehen ist ferner, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft in die Verantwortung von Geschäftsführern fällt, deren Stellung unabhängig von Verwaltungsratsmitgliedern ist. Ein Doppelmandat ist gleichwohl erlaubt.
Zur Zeit der Durchführung der Interviews waren nur ca. 100 Gesellschaften zum neuen System übergegangen – darunter jedoch einige der größten und bekanntesten Firmen Japans. Zusätzlich zu den Interviews in einigen dieser Gesellschaften wurden auch in mehreren Gesellschaften Befragungen durchgeführt, die die „traditionelle“ Rechtsform eines Verwaltungsrats unter der Aufsicht von internen Prüfern beibehalten hatten. Im Ergebnis hatte nur eine der Gesellschaften mit Ausschussstruktur eine Mehrheit von externen Verwaltungsratsmitgliedern in den Verwaltungsrat berufen. In allen Gesellschaften schienen noch immer die internen Verwaltungsratsmitglieder die strategischen Entscheidungen zu bestimmen.
Gleichzeitig hatten auch Gesellschaften mit eher „traditioneller“ Organisationsstruktur Maßnahmen zur Reorganisation und Umstrukturierung ihrer Entscheidungsprozesse in die Wege geleitet. In beiden Gesellschaftsmodellen wurden zunehmend externe Verwaltungsratsmitglieder eingesetzt. Dennoch gab es kaum Anhaltspunkte dafür, dass die Funktionsweise der Verwaltungsräte sich grundlegend geändert hätte: Externe Verwaltungsratsmitglieder wurden oft als Berater angesehen, die nur beschränkte Befugnisse und geringen Einfluss auf die Ausrichtung von Managementstrategien hatten. Die Rationalisierung von geschäftsleitenden Abläufen war ein allgemeines Charakteristikum aller interviewten Firmen. Damit einher ging eine Zunahme und Verbesserung von internen Prüfabläufen.
Auch die Einstellung gegenüber feindlichen Übernahmeversuchen und gegenüber dem Reformprozess im Übernahmerecht – zu der Zeit (im Herbst 2006) ein Thema von großem öffentlichem Interesse – wurde untersucht. Viele der Befragten teilten die Ansicht, dass unabhängige Personen wie externe Verwaltungsratsmitglieder bei einem Übernahmeangebot eine größere Rolle bei der Überwachung von Abwehrmaßnahmen spielen sollten. Wichtige Entscheidungen allein der Meinung von Aktionären zu überlassen, wurde aber gleichwohl als inakzeptabel angesehen. Dem Verwaltungsrat wurde eine wichtige Rolle zugesprochen bei der Entscheidung darüber, ob der „Unternehmenswert“ in Gefahr sein könnte, und damit gewissermaßen das Recht zugestanden, über die Zukunft der Gesellschaft zu entscheiden. Ältere japanische Unternehmensführer sahen sich nach wie vor eher dafür verantwortlich, die Gesellschaft zugunsten verschiedener Interessen als organisatorische Einheit zu bewahren, als dem Unternehmenswert den Vorrang zu geben.
Die Gesamtbewertung der Autoren geht dahin, dass die japanische Corporate Governance sich zwar ändert, jedoch nicht wie von einigen Befürwortern der Reform erwartet. Die Unterscheidung zwischen „Modernisierern“ und „Traditionalisten“ ist unscharf. Auch geht es nicht lediglich darum, dass eine Annäherung zur anglo-amerikanischen Praxis verzögert stattfände. Vielmehr besteht in Japan weiterhin ein eigenes, davon verschiedenes Unternehmensmodell, das durch den Anpassungsprozess gestärkt, zumindest aber verändert, hervorgehen dürfte.
(Übersetzung durch die Red.)